Jubiläumstagung des LTS
40 Jahre Landesverband Tierkörperbeseitigung und Schlachtnebenprodukteverwertung Bayern e.V.
(N) Sein 40-jähriges Jubiläum feierte der Landesverband Tierkörperbeseitigung und Schlachtnebenprodukteverwertung Bayern e.V. (LTS) am 8. Mai 2015 in Lindau / Bodensee. Auch der Wettergott gratulierte mit blau-weißem Prachtwetter und einem fantastischen Blick über den Bodensee.
Nach dem göttlichen Segen folgte der staatliche, nämlich der des Freistaates Bayern. Ministerialdirigent Gerhard Zellner überbrachte die Grüße der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf. Zellner ist Leiter der Abteilung 4 „Gesundheitlicher Verbraucherschutz, Lebensmittel-sicherheit und Veterinärwesen“ und nahm sich zur Begrüßung der Teilnehmer Zeit für die Würdigung der Zusammenarbeit zwischen LTS und dem Ministerium.
Er gratulierte zu „40 Jahren gelebter Verantwortung für Mensch und Tier“. Die Vergangenheit könne in die Zeit „vor BSE, mit BSE und jetzt wohl nach BSE“ gegliedert werden. In jedem Falle sei die Tierkörperbeseitigung im weiteren Sinne ein „gesellschaftlich verantwortliches Handeln“.
Mit diesen Worten lobte er die Branche und bekundete seinen Respekt, den seit 1975 eingetretenen Wandel mitgestaltet zu haben.
Die heutigen Verarbeitungsbetriebe Tierischer Nebenprodukte seien keine Abdecker mehr, sondern moderne Unternehmen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen. Die Branche sei „Treiber hoher Standards“ in Bezug auf Entsorgungssicherheit und Vermarktung der Erzeugnisse.
Aus aktuellem Anlass ging Zellner auch auf die nationale Organisation der Tierkörperbeseitigung ein und unterstrich, dass das System der Einzugsbereiche gewährleiste, dass hygienisch bedenkliches Material schnell und sicher beseitigt werden kann. Er begrüßte ausdrücklich die hierzu ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
Im Rahmen des bayerischen Notfallplanes für Tierseuchen sei die Entsorgung von Tierkörpern als aktive Tierseuchenbekämpfung ein wichtiger Bestandteil. Zellner forderte aber auch die Tierhalter auf, ihren Beitrag zur Seuchenvorsorge zu leisten. Die Auffassung, beim Auftreten einer Tierseuche werde der Bestand gekeult und dann sei die Sache erledigt, sei fatal.
Nach einer Laudatio des Vorstandsmitgliedes des LTS Georg Ensner wurde die Jubiläumsveranstaltung mit aktuellen Fachvorträgen fortgesetzt.
Reinhard Willmer (EcoMotion GmbH, Lünen) referierte über die Zukunftsaus-sichten des Einsatzes von K-1-Tierfett bei der Biodieselproduktion.
Biodiesel mache unabhängiger vom Erdöl, denn Erdöl sei endlich, erinnerte Willmer. Allerdings sei Biodiesel auch keine Wunderwaffe und könne die Erderwärmung nicht verhindern. Aber sein Beitrag zur Energieversorgung sei immerhin „ein kleines Stück vom Kuchen“ und daher nicht gering zu schätzen.
Bis 2020 sollten sechs Prozent Treibhausgas-Emissionen im Transportsektor eingespart werden. Nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie würden abfallbasierte Kraftstoffe doppelt gewichtet und damit Biokraftstoffe der sogenannten „zweiten Generation“ unterstützt. Hierzu gehöre auch Biodiesel auf der Basis tierischer Fette (Tierfett-Methylester = TME).
Der Referent wies auf die Defizite in Deutschland hin, wo Biodiesel aus tierischen Fetten der Kategorien 1 und 2 überhaupt nicht auf die Biokraftstoffquote angerechnet würde. In Österreich und Finnland würden sogar Biodiesel aus Kategorie-3-Fett doppelt angerechnet.
Die Treibhausgaseinsparungen für tierische Fette der Kategorien 1 und 2 sowie Altspeisefett seien mit 83 % wesentlich höher als bei Rapsöl-Methylester (38 %), Palmöl-Methylester (19 %) und Sojaöl-Methylester (31 %).
Willmer wies darauf hin, dass pflanzliche Öle zukünftig nur noch auf die Biokraftstoffquote angerechnet würden, wenn ihre Treibhausgas-Einsparung über 50 % liege.
Ein weiteres aktuelles Thema stellte Ernst-Christoph Stolper, Staatssekretär a.D., vor: TTIP – Transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen den U.S.A. und der Europäischen Union.
Dieses Abkommen habe praktisch für alle Wirtschaftsbereiche Bedeutung. Die wesentlichen Chancen und Risiken seien: Steigerung der Exporte deutscher Unternehmen in die U.S.A., Angst vor der Absenkung verbraucherschutz-rechtlicher Standards bei der Einfuhr von Waren aus den U.S.A. und der Einfluss auf die Infrastruktur, insbesondere bei der Ver- und Entsorgung.
Stolper nannte eine Zahl, aus der die ganze Bedeutung deutlich wird: Der tägliche Warenumsatz zwischen der EU und den U.S.A. betrage zwei Milliarden Euro. Der Referent ging dann auf einige zentrale Kritikpunkte ein.
Bei der befürchteten Absenkung von Umwelt-, Gesundheits-, Arbeits- und Verbraucherschutzstandards rede man zum Teil noch aneinander vorbei. Es herrsche Sprachverwirrung. Einerseits spreche man von „nicht tariffären Handelshemmnissen“ – die, so Stolper, schnell beseitigt werden könnten – andererseits von Verbraucherschutzstandards. Die Europäische Kommission versichere permanent, dass EU-Standards nicht abgesenkt würden. Stolper machte aber deutlich, dass Verhandlungen ein Geben und Nehmen seien. Konkrete Positionen könnten daher nur anhand der Verhandlungstexte beurteilt werden, was aber derzeit nicht möglich sei.
Außerdem sei eine „regulatorische Kooperation“ vorgesehen. Das Abkommen sei ein lebendes Abkommen; es enthalte die Verpflichtung zur ständigen Weiterentwicklung der Kooperationen. Dazu soll ein Regulierungsrat aus Behördenvertretern und Repräsentanten des Handels eingerichtet werden. Problematisch sei dabei, dass es sich bei der Delegation von Entscheidungen an den Regulierungsrat um eine Kompetenzübertragung ohne ausreichende Legitimierung handeln könnte.
In die gleiche Richtung gingen Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen Schiedsgerichte. Es handele sich um Investor-Staat-Schiedsgerichte. Diese Schiedsgerichte würden damit entscheiden, wenn ein Investor aus dem anderen Vertragsbereich auf gesetzliche Hindernisse stößt, die mit dem Zweck des Abkommens nicht vereinbar sind. Hier komme es auch zu einer Ungleichbehandlung: Inländische Unternehmen könnten – im Gegensatz zu ausländischen Konkurrenten – nicht gegen die (eigene) Regierung das Schiedsgerichtsverfahren einleiten.
Deutsche Befürchtungen, Investitionen von U.S.-Unternehmen in die Daseinsvorsorge könnten deren Bestand gefährden, hielt Stolper nicht für unberechtigt. Die Daseinsvorsorge nach deutschem Muster sei weder in der EU noch in den U.S.A. oder in der Welthandelsorganisation Konsens. Von daher sei nicht auszuschließen, dass das Recht der Nationalstaaten beschnitten werde, zu entscheiden was Daseinsvorsorge ist und was nicht.
Quelle: Tierische Nebenprodukte Nachrichten (TNN) III / 2015